Lost Place: Neugestaltung – ja! Aber so, dass sie zu Wedel passt!

Darum sprechen wir GRÜNEN uns gegen das Großprojekt an der Rissener Straße aus:

Parkplätze für große Autos, für die ein Wald weichen soll und einen großflächigen Supermarkt am Ortsrand zu Lasten zentraler fußläufiger Nahversorgung sehen die aktuellen Planungen der Investoren für das ehemalige Possehl-Gelände an der B431 vor.

Im Einzelnen:

Im Planungsausschuss (PLA) vom 03.09.2024 stand ein Antrag der CDU- und FDP-Fraktionen zum ehemaligen Possehl-Gelände und aktuellem „Lost Place“ auf dem öffentlichen Teil der Tagesordnung. Beantragt wurde die Beauftragung der Verwaltung zur Vereinbarung eines Kostenübernahmevertrags für ein Einzelhandels- und Verkehrsgutachten für ein Projekt an dieser Stelle (Rissener Straße 140 – Kino, Edeka, Selfstorage; Ö9: ANT/2024/024; https://www.wedel.sitzung-online.de/public/vo020?VOLFDNR=1002043&refresh=false&TOLFDNR=1017703 ). Die CDU-Fraktion fragte während der Sommerpause bei den Planungsausschussmitgliedern unserer Fraktion an, ob wir diesen Antrag mittragen wollen, was wir abgelehnt haben.

Hier unsere Gründe für die Ablehnung:

Der Antrag und seine Problematik

Der Antrag geht davon aus, dass das Projekt in der vorliegenden Form valide beurteilt werden kann. Das ist aus unserer Sicht nicht der Fall, wie im – leider – nicht-öffentlichen Teil der PLA-Sitzung am 25.06.2024 ausführlich dargelegt wurde. In dieser Sitzung einigten sich die Mitglieder des PLA darauf, dem Investor die Bedenken der Fraktionen mitzuteilen. Diese Bedenken bezogen sich auf Verdrängungseffekte (Stichwort: Bahnhofstraße, aber auch Nahversorgung allgemein), die Verkehrssituation, die Bäume auf dem Gelände sowie die Sichtbarkeit der Geschichte des Areals. Dass ein entsprechendes Einzelhandels- und Verkehrsgutachten von der Stadt bezahlt werden könnte, stand gar nicht zur Debatte.
Wird nun eine – von der Verwaltung sowieso vorgesehene - Kostenübernahme durch den Investor für ein Gutachten (für ein unseres Erachtens nicht umsetzbares Projekt) von den politischen Gremien gefordert, erhebt dies einen Akt des Verwaltungshandelns zu politischem Willen, was suggeriert, das Ergebnis des Gutachtens sei für die politischen Entscheidungsträger*innen handlungsleitend. Da die derzeitige Planung unabhängig vom Ergebnis eines solchen Gutachtens für uns nicht zustimmungsfähig ist, wollten wir Grünen durch die Ablehnung des CDU/FDP-Antrags den Beteiligten – dem Investor, der Verwaltung und der Politik - Zeit und/oder Kosten ersparen.

Die Ignoranz der gegenwärtigen Planung I – Der Wald

Momentan sieht die Planung vor, den Wald auf dem Gelände abzuhacken und auf großer Fläche „breite“ Parkplätze anzulegen. In einer Stadt, in der 2019 der Klimanotstand ausgerufen wurde und in der die Einwohner*innen aufgefordert wurden, Hitzeschutzideen aus dem Urlaub mitzubringen, ist dies eine wenig sensible Planung (Pressemitteilung 19.07.2024; https://www.wedel.de/leben-in-wedel/newsdetail/hitzeplan-fuer-wedel-urlauber-koennen-tipps-einreichen).
Wir hatten in der PLA-Sitzung vom 25.06.2024 angeregt, das Projekt so zu dimensionieren, dass der Wald stehen bleibt. Eine Stellungnahme der unteren Forstbehörde zu dem Bauvorhaben hatte schon vor Monaten ergeben, dass das Fällen der alten Bestandsbäume ohnehin zustimmungspflichtig wäre und von der Behörde nicht in Aussicht gestellt werden kann.

Eine Antwort vom Investor erhielten wir nicht, er suchte auch nicht das Gespräch. Stattdessen zitiert das „Hamburger Abendblatt“ vom 07.09.2024 den Investor so: „Auch die Entfernung der dort wild wuchernden Bäume sei möglich, selbst wenn der Baumbestand als Wald deklariert ist. Dazu muss ein Gutachten erstellt werden. Aus Laiensicht würde ich sagen, dass es kein öffentlicher Naherholungsraum sein kann, wenn sich der Wald auf einem Grundstück in Privatbesitz befindet‘.“ (https://www.abendblatt.de/schleswig-holstein/pinneberg/article407169825/lost-place-wirbel-um-mega-projekt-auf-altem-schandfleck.html ). Der Investor erwägt also nicht, die Bäume zu erhalten und Naturschutz- sowie Erholungsfunktionen in der Waldfläche für Wedel und seine Bewohner*innen zu realisieren.
Hierzu geben wir zu bedenken: Etwa 48% des Waldes in Deutschland sind in privater Hand. Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft weist darauf hin, dass aufgrund der in der Summe großen Fläche der Klein- und Kleinstprivatwaldeigentümer deren forstfachliche Beratung ein wichtiges Feld der Forstpolitik ist. Angesichts der Anpassung an den Klimawandel, des Waldnaturschutzes und der Biodiversität, aber auch mit Blick auf die gesellschaftlichen Leistungen des Waldes in Zukunft, verdienen Kleinprivatwälder eine besondere Aufmerksamkeit und Unterstützung (https://www.bundeswaldinventur.de/dritte-bundeswaldinventur-2012/waldland-deutschland-waldflaeche-konstant/wald-ueberwiegend-in-privater-hand).
Dies alles ignoriert der Investor. Der dem Projekt entgegenstehende Wald fand auch in dem von CDU und FDP in den Planungsausschuss eingebrachten Antrag ANT/2024/024 keinerlei Erwähnung.

Die Ignoranz der gegenwärtigen Planung II – Verdrängung und Verkehr

Die weiteren Kritikpunkte Verdrängungswettbewerb und Verkehr finden in diesem Antrag Berücksichtigung - allerdings unter der Maßgabe der Beurteilung der aktuell vorliegenden Planung. Auch ohne die genannten Hinderungsründe ist diese Planung aber nicht geeignet, Wedels Attraktivität zu erhalten und zu steigern.
Seit Jahren bemühen wir uns darum, das Fachmarktzentrum an der Rissener Straße an den ÖPNV anzubinden, was bislang nicht gelungen ist. Es ist leider nicht zu erwarten, dass sich das schnell ändert. Ein großflächiger Supermarkt am Stadtrand, wo es kaum fußläufige Wohnbebauung gibt, zieht noch mehr Verkehr in eine stark belastete Straße. Ginge dies noch mit einer Aufgabe innerstädtischer Verkaufsflächen im Zuge von Verdrängung einher, würde sich dieser Effekt – dann auch noch auf Kosten einer lebendigen Innenstadt – potenzieren. Diese Kritikpunkte teilen auch WSI und SPD, wie im „Hamburger Abendblatt“ am 07.09. (s.o) und im „Wedel-Schulauer Tageblatt“ am 06.09. nachzulesen ist (https://www.shz.de/lokales/wedel-uetersen-tornesch/artikel/spd-will-mega-edeka-an-der-b431-in-wedel-verhindern-47682363 ).

Die Ignoranz der gegenwärtigen Planung III – Die Lage

Der Investor kaufte vor Jahren dieses Gewerbegrundstück, bemühte sich aber nicht darum, dort auch Gewerbe anzusiedeln. Das Grundstück vergammelt seither und die Stadt soll zu einer Nutzungsänderung gedrängt werden.
Das Ansinnen, den „Lost Place“ aufzuräumen, wurde mehrfach vom Investor abgelehnt. Vor diesem Hintergrund empfanden wir den Antrag der CDU- und FDP-Fraktionen als überflüssig bis kontraproduktiv. Das Projekt ist ohne Nachbesserungen nicht umsetzbar, egal, zu welchen Schlüssen ein Gutachten hinsichtlich Einzelhandels und Verkehrs kommt. Auch die Kaufleute und Einkaufenden des Rissener Zentrums würden vermutlich in Mitleidenschaft gezogen, ohne überhaupt in die Entscheidungsprozesse einbezogen zu sein.

Auf dem Areal befand sich zur Zeit der Nazi-Diktatur ein KZ-Außenlager. Nur ein kleiner Gedenkstein auf der Straßenseite des Grundstücks erinnert noch an die Menschen, die hier zur Zwangsarbeit genötigt und umgebracht wurden. Eine Neugestaltung sollte diese Erinnerung sichtbarer machen, wie wir bereits bei der Vorstellung des Projekts im PLA am 05.12.2023 angeregt haben.

Die Wertschätzung der politischen Gremien

Wir GRÜNEN sind zu echten Gesprächen bereit, diese wurden aber nicht gesucht. Stattdessen wird nun behauptet, die Entscheidung von Teilen der Politik sei „ideologiegetrieben“ und könnte an den wahren Bedürfnissen der Wedeler Bevölkerung vorbeigehen. Es habe einfach die „Objektivität“ gefehlt („Hamburger Abendblatts“ vom 07.09.2024). Dieser Tonfall degradiert die Kommunalpolitiker*innen zu urteilsunfähigen Subjekten und klingt nach wie vor nicht nach ernstzunehmender Gesprächsbereitschaft.

Sollte Gesprächsbereitschaft signalisiert werden, sind wir dabei.

 

Text: Petra Goll, Tobias Kiwitt; Foto: Petra Kärgel im September 2024



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