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Aktueller Anlass des Gesprächstermins ist der vermehrte Gänsefrass auf den landwirtschaftlichen Nutzflächen der Landwirte in der Marsch. Weil die Populationen wachsen, sind inzwischen sehr unerfreuliche Ernteeinbußen zu beklagen. Herr Körner vom Betrieb Fährmannssand zeigt die Wiesen am Deich, die viel länger und häufiger von Gänsen besetzt werden, als in früheren Jahrzehnten.
Seine Schafe kann Körner daher nur noch wenige Monate auf den Weiden halten, die erste Grasmahd ist den Gänsen ebenfalls zum Opfer gefallen. Kritik übte Körner auch am Gänsemanagement der Landesregierung: so seien Entschädigungen im Rahmen des Vertragsnaturschutz zu klein und an zu enge Regeln geknüpft. Eka von Kalben versprach, diese Sorgen an die Landesregierung und den Minister zu übermitteln.
Dennoch, so die Grünen, sei das Problem sehr komplex und facettenreich. Die Wedeler Grünen etwa wollen den verschiedenen Gänsearten eine Heimat in der Marsch für Rast und Fraß in der kalten Jahreszeit bieten. Ziel soll es sein, die Ansprüche des Naturschutzes mit den Ansprüchen der Landwirt*innen, die schließlich von ihrem Hof leben müssen, zu versöhnen und bei Ernteausfällen durch Gänsefraß den Betroffenen mit unbürokratischer finanzieller Hilfe zur Seite zu stehen.
Auf dem zweiten Termin besuchte die Grüne Delegation den Vier Morgen Hof in Moorrege, der sich für eine gesündere Schweinehaltung entschieden hat. Ein Bio-Zertifikat will der Hof nicht erlangen, Kosten und Auflagen schrecken ab. Zertifizierung ist kein Muss, wie die Moorreger beweisen: Kleine und große Schweine leben, fressen und spielen hier gemeinsam für 6-9 Monate, haben viel Auslauf und liegen auf weichem Stroh. Die Haltung rechne sich aber nur, wenn die Verbraucher*innen bereit sind, mehr für ein Kilo Fleisch auszugeben, betont Franziska Jagemann vom Vier Morgen Hof: „Wir wünschen uns, dass landwirtschaftliche Erzeugnisse und artgerechte Tierhaltung von der Politik, dem Markt und dem Verbraucher geschätzt und dem Wert entsprechend honoriert werden. Dies kann dazu beitragen, dass landwirtschaftliche Betriebe Zukunft haben, ohne zu Industriebetrieben zu expandieren. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass Masse und Größe nicht unbedingt zum Erfolg führen."
Am Fährmannssand wird das Tierwohl ebenfalls ohne Label berücksichtigt, denn hier sind die Kälber 6-9 Monate bei ihrer Mutter. Dennoch bekommt Körner dafür kein Geld extra und kann nur 700 € Erlös für ein Kalb erreichen: „Davon kann man die Kosten kaum decken: Ohne Ausgleichszahlungen geht es gar nicht mehr“, so Körner.
Georg Kleinwort, Vorsitzender des Kreisbauernverbandes, kritisiert, dass im Lebensmittelhandel viel zu wenig Werbung für deutsche Erzeugnisse gemacht wird. Hinweise auf die Herkunft sind viel zu klein und damit für die Verbraucher*innen kaum zu lesen. Auch hier sind sich Landwirte und die Gäste einig: „Als Grüne möchten wir die Landwirte darin unterstützen, regionale Wertschöpfungsketten zu erhalten und uns dafür einsetzen, dass regionale, nachhaltige und im Sinne des Tierwohls erzeugte Lebensmittel einen stärkeren Marktanteil erreichen," so die Wedeler Ortsvorsitzende Petra Kärgel.
Gerade im Kreis Pinneberg ist dies möglich, denn hier entstehen vielfältige landwirtschaftliche Erzeugnisse. Dennoch müssen vor allem auf Bundesebene die richtigen Signale gesetzt werden: Freihandelsabkommen, Dumpingpreise der Ketten und zu strenge Vorgaben belasten besonders kleine Betriebe und damit die spezifische regionale Struktur der Landwirtschaft im Kreis Pinneberg.
Viele Höfe hätten bereits aufgehört oder müssten sich ein zweites Standbein im Tourismus oder der Wirtschaft suchen. Georg Kleinwort wünscht sich für den Nachwuchs zudem mehr langfristige Perspektiven, mehr Flexibilität, weniger Bürokratie und mehr Menschen vom Fach in den Entscheidungsgremien.
Die LandespolitikerInnen versichern, sich hierfür einzusetzen und Vorsitzende Ann-Kathrin Tranziska gibt zu: „Es ist offensichtlich, dass die Genauigkeit der Vorgaben der Verwaltung manchmal nicht zur ‚Ungenauigkeit‘ der Natur passt. Pflanzen in der Natur halten sich nun einmal nicht an ein Maßband."
Auch Kreissprecher Jens Herrndorff nahm diese Botschaft mit: „Die vielfältigen Eindrücke des heutigen Tages haben deutlich gezeigt, vor welch vielfältigen Herausforderungen landwirtschaftliche Betriebe in unserer Region zur Zeit stehen. Es gilt nun, im Sinne des Natur- und Klimaschutzes und der Gesellschaft verlässliche Perspektiven für die landwirtschaftlichen Betriebe zu schaffen." Und Eka von Kalben ergänzt: „Naturschutz, Klimaschutz und Landwirtschaft unter einen Hut zu bekommen, ist schwierig, aber nötig, wenn es für alle drei eine Zukunft geben soll. Schuldzuweisungen bringen uns nicht weiter. Wir müssen im Dialog bleiben und gemeinsam an einer Verbesserung in alle Richtungen arbeiten.“
Bei einer abschließenden Gesprächsrunde betonte Peer Jensen-Nissen als Geschäftsführer vom Kreisbauernverband Pinneberg nochmals, dass die Landwirte bei ihrer Wirtschaftsweise stets die Nachhaltigkeit im Blick haben: „Die Nachhaltigkeit besteht aus einem Gleichgewicht zwischen Ökonomie, Ökologie und Soziales. Zurzeit liegen aus der Sicht der Landwirtschaft diese Ziele nicht in der Waage. Zukünftige Rahmenbedingen für die Landwirtschaft dürfen dieses Ungleichgewicht nicht verstärken!“
Text: Nadine Mai (Grüne Kreisgeschäftsführerin), Fotos: Thorsten Bernd, 10.02.2020
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